Tambora - New World

Was die 140 deutschen und kolumbianischen Jugendlichen leisteten – sei es als Schauspieler und Schauspielerinnen oder als Musiker und Musikerinnen des Profilorchesters unter Leitung von Michael Berner und der Jazzcrew 2.0 unter Leitung von Benjamin Heil -, war beeindruckend. Unter Regie des Autors, Professor i.R. Wolf Wilms, der die beteiligten Gruppen durch die 18-monatige Probezeit (großenteils aus der Ferne durch regen Email Kontakt) hindurchbegleitet hatte, entstand ein erstaunliches Bühnenwerk, das mit seinem Inhalt den Nerv der Zeit trifft.

Die Ausgangssituation von „Tambora – New World“ – die leider immer weniger fiktiven Charakter hat, was die Aktualität des Stückes dramatisch steigert -, ist, dass die Menschheit ihren Heimatplaneten Erde und dessen Klima zugrunde gerichtet hat. Zum Glück wird ein paradiesischer neuer Planet entdeckt, auf den die Menschen umziehen wollen. Sie schicken eine Schar Kinder voraus. Das Stück handelt davon, wie sich die Kinder dieser Herausforderung stellen. Leider stellt sich heraus, dass die Kinder die neue Chance nicht nutzen, sondern ähnlich zerstörerisch miteinander und der neuen Heimat umgehen wie ihre Eltern auf der Erde.

In dem immer dramatischer werdenden Kampf, der archaische Grundmuster der Menschheit spiegelt, gehen die Kinder aufeinander los. Am Schluss erscheinen die Eltern der Kinder auf Tambora, sind hingerissen von seiner Schönheit und Üppigkeit – um dann das Unheil zu erahnen… Das Ende bleibt offen: Dem Papagei sind die letzten Worte vorbehalten, und er eröffnet damit eine neue, den Zuschauer zum Innehalten und dann zum eigenen Handeln herausfordernde Perspektive: „Man tut, was man kann. Die Welt ist noch nicht fertig“.

Die rund 150 Zuschauerinnen und Zuschauer in der Stadthalle zollten den 140 beteiligten Jugendlichen verdientermaßen einen großen Applaus. Die Bühnenpräsenz und körperliche Ausdrucksstärke der Darstellenden waren beeindruckend – das Zusammenspiel mit den Orchestern, deren Musik die Emotionen des Stücks gekonnt in Klang umsetzte, bemerkenswert.

Sehr schade, dass es angesichts dieser Leistung nicht noch zu den weiteren öffentlichen Aufführungen kam – sowie zum deutsch-kolumbianisch-kenianischen Theaterworkshop mit dem „Hope Theatre Nairobi“, der für die Folgewoche im Theater im Deutschen Haus geplant war.

Der begehrte ENSA-Sonderpreis, der beim Schulwettbewerb zur Entwicklungspolitik von Engagement Global verliehen wird und den das TSG 2018 gewonnen hatte, bildete die Grundlage dafür, dass wir unsere seit 2016 bestehenden Kontakte nach Copacabana/ Kolumbien intensivieren und Regisseur Wolf Wilms‘ Theaterprojekt-Idee mit Aufführungen beidseits des Atlantiks umsetzen konnten. Denn zusätzlich zum Schulpreis kann man beim Schulwettbewerb die Förderung einer Anbahnungs- oder Begegnungsreise von ENSA gewinnen. So war eine zehnköpfige Gruppe des TSG bereits im September 2019 nach Copacabana gereist, wo wir eine unglaubliche Gastfreundschaft erleben durften. Während unseres Aufenthalts brachten wir das Stück „Tambora – New World“ gemeinsam mit unseren kolumbianischen Partnern bereits mehrfach erfolgreich auf die Bühne. Im März 2020 erfolgte der knapp dreiwöchige Gegenbesuch einer 12-köpfigen kolumbianischen Gruppe in St. Georgen.

Das interkulturelle Theaterprojekt, das zu wirklicher Kontinente-übergreifender Kooperation und Völkerverständigung beigetragen hat - dürfte manchen Beteiligten bzw. Zuschauerinnen und Zuschauern zu intensivem Nachdenken über unsere Welt provoziert haben.